Ausstellungskonzept
MENSCH. NOT WANTED.

Ausstellungskonzept
MENSCH. NOT WANTED. Ab 2010

Werkverzeichnis
Ausstellung. Produzentengalerie M4. 2006
Konzept Kunstaktion. Stadtfest. Jena. 2010
Konzept Ausstellung. Zollsaal. Frankfurt Main. 2010
Ausstellung. Haus am Dom. Frankfurt/Main. 2011
Konzept Ausstellung. Katholische Kirche. Hofgeismar. 2012
Konzept Kunstaktion. documenta (13). Kassel 2012
Konzept Ausstellung. Akademie der Künste. Berlin. 2012
Konzept Ausstellung. KW. Berlin. 2013
Konzept Ausstellung. KunstKulturQuartier. Nürnberg. 2013
Konzept Ausstellung. Akademie der Künste. Berlin. 2013
Wettbewerb. Arte Laguna Prize. Venedig. 2014 ff.
Wettbewerb. Nannen Preis. Hamburg. 2016
Wettbewerb. Leica Oskar Barnack Award. Wetzlar. 2016
Wettbewerb. Lensculture. Amsterdam. 2016 ff.
Konzept Kunstveranstaltung. Hammerschmiede. Kassel. 2017
Kunstveranstaltung. Tatorte Kunst. Wiesbaden. 2017
Konzept Kunstaktion. J. Gutenberg-Universität. Mainz. 2019

Ausstellung
Haus am Dom. Frankfurt/Main. Deutschland. 2011

Konzept
Es gibt wohl kaum einen eindrucksvolleren und ergreifenderen Beweis für persönliches Leid und
individuelle Ausweglosigkeit als die Flucht von Menschen mit dem Boot über das offene Meer.
Als Ultima Ratio eines durch Willkür und Korruption, Krieg, Gewalt, Vertreibung, Hunger und
Armut bestimmten Lebens ist diesen Menschen kein Weg zu weit und keine Gefahr zu groß,
ihrem Traum von einer besseren Zukunft ein Stück näher zu kommen. Dennoch – die Hoffnung
auf ein besseres Leben stirbt an vielen Orten dieser Welt: in den Stauräumen entlang der Routen
nach Europa, in den Lagern von Algerien und Libyen, Griechenland, Italien und Spanien,
in den Slums von Rabat, den Camps von Tanger, in den Wäldern von Oujda, im Flugzeug,
abgeschoben, auf dem Weg zurück in die Heimat. Oder unbemerkt, im Verborgenen, dicht
gedrängt in einem Holzboot − bei Sturm − auf offener See.
Im Umgang mit ihnen, den unerwünschten Verlierern, verzichtet Europa mittlerweile auf die
Einhaltung seines Wertekanons und verliert damit gegenüber den Menschen weltweit jeden
Tag an Glaubwürdigkeit und Anziehungskraft. Diese innere Destabilisierung durch Beschädigung
des ethisch-moralischen Rückgrats kann langfristig aber nicht ohne Folgen für die Wertegemeinschaft
selbst und ihr Ansehen innerhalb der Völkergemeinschaft bleiben. Um Europas
Selbstverständnis wird somit auch in Zukunft an den Außengrenzen gekämpft werden müssen,
denn eine menschenwürdige Lösung für die Flüchtlinge sowie für die Migranten und Migrantinnen
ist leider immer noch nicht in Sicht.

Installation
Die Installation BOOT steht somit als Symbol für den Überlebenskampf und den Wagemut,
aber auch für die Hoffnung, die bei aller Hoffnungslosigkeit das Leben vieler Flüchtlinge und
Migranten weltweit prägt. Dass diese Hoffnung, dicht gedrängt in einer Patera − bei Sturm −
auf offener See, ein schnelles und trauriges Ende finden kann, auch daran soll das Boot erinnern.
Erweitert wird die Installation durch eine Zeichnung auf dem Segel des Boots. Die Karikatur
VORSICHT. DIE NEGER KOMMEN hält überzeichnet die Stimmungslage einer von Angst,
Skepsis, Vorurteilen und Ressentiments getragenen Diskussion innerhalb Europas und der Welt
fest und macht deutlich, welche lange Wegstrecke bis zur Lösung dieses Problems in unseren
Köpfen noch zurückgelegt werden muss.

Fotografien
In der Ausstellung MENSCH. NOT WANTED sind des weiteren 26 Fotografien zu sehen, die
im Verlauf meiner mehr als zwanzigjährigen Reisetätigkeit als Künstler zu dem Themenkomplex
»Hunger und Armut, Ausgrenzung, Krieg und Gewalt, Flucht und Vertreibung« entstanden sind.
Die Fotografien belegen, dass sich hinter den abstrakten Schlagwörtern, mit denen wir gewohnt
sind zu arbeiten, Menschen verbergen – Menschen mit einer persönlichen Herkunft,
Hautfarbe, Religion, Bildung, Familie und Geschichte. Im Einzelnen:

ROMA IN DER SLOWAKEI: Roma stellen weltweit eine sozial ausgegrenzte und verfolgte Minderheit
dar. Mit dem Stigma des Zigeuners behaftet, fehlt dieser Ethnie häufig die Möglichkeit,
sich zu integrieren und zu assimilieren. Was bleibt, ist ein Leben in Armut am Rand der Gesellschaft
− ohne Perspektive auf eine bessere Zukunft.

TOWNSHIP IN NAMIBIA: Der weiße Mann hat seine Arbeit in Afrika eingestellt. An seine
Stelle traten häufig genug Stammesdenken, Korruption, Misswirtschaft, Krieg, Gewalt und Armut.
Die schwarze Oberschicht schickt heute ihre Kinder mit dem Geld, das sie aus den an
Bodenschätzen reichen Ländern presst, zur Ausbildung nach Europa und Amerika. Der große
Rest versucht − arbeits- und chancenlos − Tag für Tag in den Townships zu überleben.

FLÜCHTLINGE DES KOSOVO-KRIEGS: Der Glaube als Kriegsgrund ist wieder aktuell und populär.
In Verbindung mit der bewegten Geschichte der Länder des Balkans und dem wiederauflebenden
Traum von ethnisch und konfessionell gesäuberten Großreichen war sich keine Religion
zu schade, sich vor den Karren der Kriegsmaschinerie spannen zu lassen. Wer nicht fliehen
konnte, lief Gefahr, Opfer einer Säuberungsaktion zu werden. Und heute? Die Schauplätze
haben gewechselt. Nicht aber das Spiel!

MIGRANTEN IN MAROKKO: Die Flüchtlinge und Migranten, die sich heute an den Grenzen
zu Europa sammeln, setzen sich zusammen aus Angehörigen von Minderheiten, religiös Verfolgten,
Kriegsflüchtlingen und Kriegsmüden sowie Menschen ohne Arbeit, Brot oder Boden.
Ohne Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben zu Hause füllen sie die Stauräume entlang
der Routen nach Europa, sitzen fest in den Lagern von Algerien und Libyen, Griechenland,
Italien und Spanien. Oder fristen ihr Leben in den Slums von Rabat, den Camps von Tanger und
in den Wäldern von Oujda.

KURDISCHE FAMILIE IN DEUTSCHLAND: Wer als Flüchtling oder Migrant unbeschadet den
Sprung nach Europa schafft, ist noch lange nicht am Ziel seiner Träume angelangt. Die meisten
erwartet ein Leben in der bestenfalls geduldeten Illegalität – als rechtloser, unterbezahlter Arbeiter
auf den Obstplantagen und Gemüsefeldern Spaniens oder als fliegender Händler, der gefälschte
Uhren und nutzlose Ketten in den Städten und an den Stränden Europas zu verkaufen
versucht. Ein Leben in ständiger Angst vor Entdeckung und Abschiebung. Für die, welche einen
Asylantrag stellen, beginnt die zermürbende Zeit des Wartens in einem der Aufnahmelager
Europas. Immer in der Furcht, am Schluss doch wieder ausreisen zu müssen oder abgeschoben
zu werden.

Mischtechnik auf Leinwand
Weiterer Bestandteil der Ausstellung MENSCH. NOT WANTED sind fünf großformatige Werke
in Mischtechnik auf Leinwand. Im Einzelnen: Teile der Welt befinden sich in einem dramatischen
Zustand. Täglicher Hunger, bittere Armut und Krankheit, Verfolgung und Vertreibung aus
religiösen oder ethnischen Gründen, religiöser Fanatismus, Sklaverei und sonstige Formen gewaltsamer
Unterdrückung, staatliche Willkür gegenüber der eigenen Bevölkerung, Krieg und
Gewalt, mangelnde Bildungschancen verbunden mit beruflicher Perspektivlosigkeit: All dies
und mehr stellt für den größten Teil der Menschen weltweit keine Randnotiz in der Zeitung dar,
sondern leider die eigene Lebenssituation, gegen die es gilt, in einem hoffnungslosen Ringen
um das tägliche Überleben beständig anzukämpfen (Acryl auf Leinwand KRIEG UND GEWALT;
Acryl auf Leinwand VERTREIBUNG; Mischtechnik auf Leinwand MUSLIMA). Flucht und Migration,
auch in Richtung Europa, stellen für diese Menschen, die keiner will (Fotocollage MENSCH.
NOT WANTED), trotz der damit verbundenen Strapazen und Gefahren für Leib und Leben, den
einzigen Weg dar, ihrem Traum von einem besseren Leben als Asylsuchender, Illegaler und/
oder Billigarbeitskraft in Europa, Amerika oder anderen Staaten dieser Welt ein Stück näher zu
kommen (Installation BOOT mit Zeichnung VORSICHT! DIE NEGER KOMMEN; Video der
Theateraufführung in Rabat/Marokko).
Dabei hat es in der jüngeren Vergangenheit nicht an hoffnungsvollen Ansätzen gefehlt,
durch Reformen die Lebenssituation der Menschen in Afrika, Asien und Südamerika zu verbessern.
Rohstoff, Markt- und Sicherheitsinteressen haben auf westlicher Seite aber zu allen Zeiten
über den ernsthaften Willen gesiegt, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in die Welt hinauszutragen
(Mischtechnik auf Leinwand U.S. FLAG). Der Preis dieser Politik waren Verträge
mit Despoten (Mischtechnik auf Leinwand MENSCH. NOT WANTED), für die der Westen
heute bei den Menschen im besten Fall den Preis mangelnder Glaubwürdigkeit zahlt. Tunesien,
Ägypten und Libyen sind hierfür nur die aktuellsten Beispiele. Leider spielt die Jahrzehnte währende
Außenpolitik der Demontage des westlichen Wertekanons aber auch den Kräften in die
Hände, die tendenziell fundamentalistische, autokratische Systeme als Ausweg propagieren
(Mischtechnik auf Leinwand MUSLIMA).

Video
Abgeschlossen wird die Ausstellung MENSCH. NOT WANTED durch ein Video, das mir
2010 in Rabat/Marokko von einem Migranten übergeben wurde. Ich versprach ihm damals,
das Video in einer Ausstellung zu dem Thema zu zeigen. Dieses Versprechen möchte ich in der
Ausstellung MENSCH. NOT WANTED nunmehr einlösen.
Das Video erzählt die tausendfach erlebte Geschichte der Flucht und Migration am Beispiel
einer Gruppe von Flüchtlingen sowie Migranten und Migrantinnen, die sich auf den Weg nach
Europa machen. Geschrieben von Flüchtlingen und Migranten, wurde dieses Theaterstück in
der evangelischen Kirche in Rabat/Marokko von Flüchtlingen und Migranten aufgeführt. Es
handelt sich also um ein authentisches Stück, das von Hoffnung, dem Geschäft mit der Hoffnung,
von Schleppern, Vergewaltigern und dem Tod erzählt.
Obwohl eher Tragödie denn Komödie, sind dennoch einige Passagen »zum Schreien komisch
« und stecken voller Humor. Vielleicht erzählt uns dies am Schluss doch noch etwas über
diese Menschen, die sich irgendwann und irgendwo nur für den Preis der Hoffnung auf ein
besseres Leben dazu entschließen, sich auf eine lange und gefährliche Reise zu begeben.

gleich_andreas