MagnumPhotoAwards 2016

Wettbewerb 2016
MAGNUM Photo Awards
Amsterdam. Niederlande
Bereich: Streetphotography
Andreas Gleich
Konzept


»Für die Europäer ist Südamerika ein Mann mit Schnauzbart, Gitarre und Revolver«, schreibt Gabriel García Márquez in seinem Roman Der Oberst hat niemand, der ihm schreibt. Und tatsächlich steht dieser Kontinent einerseits für Musik, Tanz und Lebensfreude, andererseits aber auch für Machismo, Drogen, staatliche Willkür und grenzenlose Gewalt. Nicht von ungefähr wird die Liste der Länder mit der höchsten Mordrate der Welt von Brasilien angeführt. Caracas wiederum ist im Ranking der Städte mit der höchsten Tötungsrate trauriger Spitzenreiter. 41 Städte in Lateinamerika zählen insgesamt zu den fünfzig gefährlichsten Städten der Welt. Das Geschäft mit den Drogen, der Korruption und der Gewalt blüht. Die Politik ist hierfür ebenso verantwortlich wie der Staatsapparat mit seinen Beamten, die Wirtschaft oder die mächtigen Holzbarone und Großgrundbesitzer. Und die aktuelle Entwicklung in Ländern wie Brasilien oder Venezuela gibt den Menschen wenig Hoffnung auf tiefgreifende Veränderungen.

Bei all dem darf aber nicht vergessen werden, dass die meisten Menschen auf diesem Kontinent einer ehrlichen Arbeit nachgehen. Außerhalb der Städte, auf dem Land, leben sie vielleicht als einfache Fischer, KFZ-Mechaniker oder Kleinbauern in Dörfern, die San Francisco heißen. Viele sind Selbstversorger, die den Fisch für ihr Essen noch mit dem Netz fangen und für einen schlecht bezahlten Gelegenheitsjob als Straßenarbeiter das Unkraut am Rand der Straße mit einer Machete beseitigen. Das Gemüse, welches sie morgens mit ihren Kindern auf dem Feld geerntet haben, verkaufen sie noch am gleichen Tag auf einem der Märkte. In der Nacht sitzen sie draußen unter einer Straßenlaterne und spielen im spärlichen Licht der Lampe Domino. Den Tabak für ihre Zigarren bauen sie selbst an, und in der Mittagshitze sitzen Frauen mit einer selbstgedrehten Puro im Schatten ihrer Eingangstür vor dem Haus, während die arbeitslose Jugend bei einer Limo oder Coke von einem gut bezahlten Job in den USA oder in Europa träumt.


Auch deshalb, wegen der tiefen Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Land und Stadt, verlassen viele Südamerikaner ihre Heimat und versuchen in der Hoffnung auf Arbeit über die stark befestigte mexikanisch-amerikanische Grenze in die USA zu migrieren.

gleich_andreas